Alfred Edlinger ist Österreichs produktivster Erfinder

Foto: Darko Tododorovic

March 10, 2025

Alfred Edlinger ist Österreichs produktivster Erfinder

Im Interview verrät er das Geheimnis seiner Produktivität und warum Innovationenen selten in Konzernen entstehen.

Sie sind mit exakt 627 Patenten der wohl produktivste Erfinder Österreichs. Was passiert mit all diesen Lösungen und Produkten?

Alfred Edlinger: Das sind zwar meine Entwicklungen, aber meistens arbeite ich im Auftrag eines Unternehmens oder es gibt bereits  Interessenten an einem möglichen Patent. Ich kümmere mich nach der Entwicklung zwar auch um die Patentanmeldung, aber die Patente alle selbst zu halten, könnte ich mir gar nicht leisten.

Sie gehen mit offenen Augen durch die Welt, entdecken Herausforderungen und entwickeln sofort die entsprechenden Lösungen. Dafür muss man ein sehr kreativer Geist sein. Kann man das trainieren?

Das Forschen und Entdecken wurde mir in die Wiege gelegt. Die Familie meiner Mutter hatte in Wien eine chemische Fabrik und der Cousin meines Urgroßvaters, Kurt Alder, erhielt 1950 gemeinsam mit Otto Diels für die Entdeckung einer chemischen Reaktion den Nobelpreis für Chemie. Väterlicherseits sind die Edlingers die älteste Textilfärber-Familie Österreichs. Einer meiner Urahnen war auch der Erste, der am europäischen Festland Stoffe mercerisierte, also Baumwolle in einen seidenähnlichen Stoff umwandelte.

War für Sie immer klar, dass Sie selbst auch den Weg des Chemikers einschlagen werden?

Ja, schon sehr früh. Es war mir natürlich strengstens verboten, im Labor unserer Textilfabrik zu experimentieren, aber davon habe ich mich nicht abhalten lassen. In Wien besuchte ich zuerst die HTL für Maschinenbau, danach das Chemiekolleg in der Rosensteingasse und absolvierte anschließend in der Schweiz ein Doppelstudium: Chemie und Verfahrenstechnik. Man braucht ja nicht nur ein paar lustige Ideen, sondern auch eine fachliche Basis. Die Chemie ist das Kochrezept und die Verfahrenstechnik die Küche.

Welche Erfindung war denn die erste, die Sie gemacht haben?

Ich war weder in der Schule noch auf der Universität besonders gut und schon gar nicht der Fleißigste. Meine erste Erfindung machte ich als Ferialpraktikant bei der Firma Ciba-Geigy in Basel. Dort entwickelte ich 1975 einen Apparat, um Herbizide zu applizieren. Nach meiner ersten Innovation ging es Schlag auf Schlag. Schließlich wurde aus meinem Erfindungsreichtum ein Geschäftsmodell.

Sie waren aber eine Weile auch in einem Konzern tätig. Sehr kreative Menschen sind oft Freigeister, die sich schwertun, sich in die oft recht starren Konzernstrukturen einzufinden.

Unmöglich! Meiner Erfahrung nach entstehen Innovationen nicht in Konzernen, sondern werden von ihnen gekauft und optimiert. Innovationen können Sie nicht durch Strukturen und Programme provozieren.

Was braucht es, um innovative Lösungen zu entwickeln?

Hier im Montafon bin ich nicht nur Erfinder, sondern vor allem Bergbauer. Ich bin überzeugt, dass das großen Einfluss auf die Ideen und Gedanken hat. Zudem kommen aus keinem Bundesland mehr Patente pro Kopf als aus Vorarlberg. Das Umfeld ist hier besonders innovationsfreundlich. Wahrscheinlich wirkt sich  die Nähe zur Schweiz, die europaweit die meisten Patente hervorbringt, zu Liechtenstein und zu Bayern positiv aus.  Meine Aufträge stammen auch in erster Linie aus diesem Dreiländereck, während die Finanzierung  meistens aus der Schweiz stammt, umgesetzt werden meine Lösungen in Deutschland, Holland oder Israel.

Wie entwickeln Sie Ihre Ideen und setzen Sie um?

Zunächst muss man Fragestellungen finden. Das ist gar nicht so schwer, wenn man Tageszeitungen liest. Daraus leite ich dann ab: Wie kann ich das Problem lösen? Dann reicht man das Patent ein, mit einem  guten Patentanwalt an der Seite. Ich beschäftige mich vor allem mit den Themenkreisen rund um CO2, Phosphor und Wasserstoff. Mein bisher größtes Projekt ist FlashPhos, das von der EU mit 15 Millionen Euro gefördert wird. Koordiniert wird es von der Universität Stuttgart und von der Steinbeis-Stiftung in Baden-Württemberg.

Worum geht es bei FlashPhos?

Das ist ein thermochemisches Verfahren zur nachhaltigen Produktion von hochwertigem weißem Phosphor. Als Ausgangsmaterial dient Klärschlamm. Damit schlagen wir zwei Fliegen mit einer Klappe: FlashPhos wird die erste Technologie in Europa sein, die weißen Phosphor für die chemische Industrie produziert und gleichzeitig eine Lösung für die problembehaftete Klärschlammentsorgung bietet. Wir erwarten, dass FlashPhos-Anlagen bis 2040 50% des europäischen Bedarfs decken können, während 15% des derzeit in Europa anfallenden Klärschlamms in einem ökonomisch und ökologisch sinnvollen und klimafreundlichen Kreislaufwirtschaftsprozess verwertet werden können. Dafür gab es 2020 den Staatspreis Patent.

Sie forschen, koordinieren die Zusammenarbeit mit den Universitäten, mit den Studierenden, das EU-Projekt? Wie behalten Sie den Überblick?

Das frage ich mich manchmal auch (lacht). Das ist eine Gleichung mit mehreren Unbekannten, aber sie geht sich immer irgendwie aus. Chaotisch ist es allerdings, darunter leiden meine Partner ein wenig.

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