Klimaschutz dank Innovation

Foto: ÖBB / Steinberger

March 18, 2025

Klimaschutz dank Innovation

Smarte Lösungen machen Wiener Linien, Asfinag und ÖBB klimafit.

Staatsbetriebe sind schwerfällig und bürokratisch? Dass dieses Klischee nicht zutreffen muss, beweisen die heimischen Big Player im Verkehrssektor.

Eine Lärmschutzwand an der S 1 Wiener Außenring Schnellstraße. Grau, hoch, scheinbar endlos. Täglich flitzen hier tausende Menschen mit ihrem Auto vorbei. Nur ganz wenige wissen, dass dieser Betonwall etwas Besonderes an seiner Außenseite montiert hat: das-Testfeld der ASFINAG (Autobahnen- und Schnellstraßen-Finanzierungs-Aktiengesellschaft).Rund 70 Meter lang, gespickt mit mehr als 100 Solar-Paneelen produziert es bis zu 45.000 Kilowattstunden sauberen Strom pro Jahr. Damit versorgt es die Sicherheitsausrüstung der 16 Kilometer langen S 1-Strecke zwischen Vösendorf und Schwechat mit grüner Energie.

Die Klimakrise geht uns alle an. Der Ausbau der erneuerbaren Energien und der respektvolle Umgang mit den natürlichen Ressourcen verlangt langfristige Lösungen durch innovative Technologien und unkonventionelle Ideen. Auch öffentliche Big Player im Bereich Mobilität wie ASFINAG, ÖBB und Wiener Linien wissen, ihre Zukunft muss nachhaltig sein. Und liefern: Ob Sonnenenergie direkt von der Autobahn, komfortable Sharing-Angeboteabseits der Schiene oder ungewöhnliche Paketzustellung mit der Straßenbahn – viele ihrer Ideen haben das Potenzial, die Welt ein bisschen besser zu machen. Sie beweisen damit auch, dass Staatskonzerne zwar groß sind, aber deshalb nicht unbedingt auch schwerfällig sein müssen.

Die Autobahn als Solarkraftwerk

So zeigt etwa das Fotovoltaik-Testfeld der ASFINAG an der S 1 , man kann umweltfreundlich Sonnenenergiegewinnen, ohne wertvolle Böden zu verbrauchen. Theoretisch könnte die ASFINAG aus dem Autobahnnetz den größten Verbund an Solarkraftwerken des Landes machen. Schließlich gibt es insgesamt 1.400 Kilometer an Lärmschutzwänden, die sich(südseitig) mit Solarpaneelen zu Sonnensammlern umfunktioniert ließen. Bei der Eigenstromerzeugung hat die ASFINAG schon ungewöhnliche Projekte umgesetzt. Dazu zählen die Mikrowind-Turbinen auf der Tiroler Europabrücke und das Kleinwasserkraftwerk am Semmering, das den Tunnel mittels Bergwasser mit Strom versorgt. Bis 2030 möchte der Autobahnbetreiber stromautark sein. Hartwig Hufnagl, Vorstandsdirektor ASFINAG erklärt: „Der Ausbau der eigenen erneuerbaren Energiequellen zur Stromversorgung von Tunnels und Autobahnmeistereien ist ein wichtiger Aspekt unserer Nachhaltigkeitsstrategie.“

Enormes Potenzial, innovativ zu agieren, bietet auch der Straßenbelag der mehr als 2.200 Autobahn-und Schnellstraßen-Kilometer. Sehr vieles von dem, was bei Sanierungsarbeiten abgetragen und ausgehoben wird, kann nämlich wiederverwertet werden. Bereits jetzt liegt die Recyclingquote bei Beton- und Asphaltabbruch bei über 90 Prozent.

Photovoltaikpaneele am Dach einer U-Bahn-Station

Foto: Johannes Zinner

Die Wiener Linien setzen auf Phototovoltaik.

Sicher mit künstlicher Intelligenz

Nachhaltiger werden ist ein wichtiges Ziel, aber auch für Sicherheit muss gesorgt werden. Hierfür nutzt der Autobahnbetreiber künstliche Intelligenz (KI). Die Sicherheitskontrolle von Brücken mit hohen Pfeilern und Bögen übernehmen bei der ASFINAG nämlich mit Kameras ausgerüstete Drohnen. Sieschießen tausende Fotos, um ein 3D-Modell des realen Bauwerks zu erstellen. Mit Hilfe von Algorithmen lassen sich kleinste Veränderungen im Objekt schnell und leicht identifizieren.

KI kommt außerdem bei der Bekämpfung von „gefährlichen“ Pflanzen zum Einsatz, die sich entlang der Autobahn rasant ausbreiten. Dazu zählt etwa der Götterbaum, der seine Heimat einst im Fernen Osten hatte. Seine starken Wurzeln brechen die Fahrbahn auf. Den kräftigen Baum einfach zu fällen, reicht nicht. Er reagiert darauf wie eine Hydra: schnell treiben in bis zu zehn Metern Entfernung zig neue Bäumchen aus. Wo genau, das erkennt ein neuronales Netzwerkautomatisch in Videos, die aus Streckenfahrzeugen gefilmt wurden.

 

Ersatzteile aus dem Drucker

Die ÖBB, die immerhin schon vor einem Jahrhundert von Kohle auf Strom umgestiegen ist, will mit digitaler Technologie die Transportkapazitäten im Personen- und Güterverkehr signifikant steigern, verspricht  CEO Andreas Matthä.

Und das ist nur eine Facette. Denn Digitalisierung liefert z. B. auch Echzeit-Infos für den Fahrplan und 3D-Drucker, um schnell, individuell und in geringer Stückzahl Ersatzteile selbst herzustellen. Bisher hat die ÖBB mit diesem phänomenalen Werkzeug rund17.000 Teile aus Metall- und Kunststoffpartikeln gefertigt – viele davon für die Railjet-Flotte. Übrigens: Für diese wurde eine umweltfreundliche Klimaanlage von Liebherr getestet, die Kohlendioxid als natürliches Kältemittelnutzt. Vor allem in Kombination mit einer Wärmepumpenfunktion und Abwärmenutzung bringt das eine deutlich bessere Energiebilanz. Und: CO2 ist zwar der erklärte Feind aller Klimaschützer, aber immer noch bis zu tausend Malweniger klimaschädlich als die bisher verwendeten Kühlmittel.  

Umweltfreundliche Lösungen sind bei der Bahn auch abseits der Schiene gefragt. In Baden bei Wien etwa stehen für Gäste und Einheimische 70 E-Scooter, vier E-Car-Sharing-Autos und ÖBB-Transfer, ein Shuttle zu Hotelbetrieben und Kuranstalten bereit – alles buchbar über die App „wegfinder“.

Vernetzt unterwegs

Dass Öffis und Leih-Angebote einander optimal ergänzen können, beweisen die Wiener Linien mit „WienMobil“. Alexandra Reinagl, Geschäftsführerin der Wiener Linien: „Unser Ziel ist, in unmittelbarer Nähe zur eigenen Wohnung einen Zugang zu allen Mobilitätsformen anzubieten. Je nach individuellem Weg wählt man das passende Transportmittel aus U-Bahn, Bim oder Bus, Fahrrädern oder eben auch E-Autos.“

In ganz Wien können an 240 Standorten insgesamt 3.000 Räderausgeliehen und zurückgegeben werden. Zum Leih-Angebot gehört auch die WienMobil-Auto-Flotte. Sie wird auf rund100 E-Fahrzeuge ausgeweitet. Dazu zählen Klein- und Komfortwägen, aber auch Transporter. Und WienMobil lässt sich nicht nur am eigenen Handy nutzen, es wird auch an anderer Stelle sichtbarer: Die neue U-Bahn-Garnitur „X-Wagen“ von Siemens bietet digitale Fahrgastinfos, um die Öffi-Nutzung auf den Linien U1bis U4 einfacher und komfortabler zu machen. Auf Bildschirmen über den Zugtürenerfahren die Fahrgäste alle relevanten Infos: von Umsteigemöglichkeiten über Anschlussverbindungen bis zu Abfahrtszeiten.

 

Rund 2 Millionen Fahrgästenutzen pro Tag in Wien die 450 Busse, 500 Straßenbahnzüge und 150 U-​Bahn-Züge. Und die müssen bremsen, und zwar oft. „Warum nicht nutzen?“, hat man sich bei den Wiener Linien irgendwann gedacht und mit Energie-Rückgewinnung der U-Bahn-Bremsanlagenherumexperimentiert. Heute bringen die tonnenschweren Züge mit der Bremsenergieganze Stationen zum Leuchten. Das Verfahren spart bis zu vier Gigawatt-Stunden im Jahr. Das entspricht dem Stromverbrauch von durchschnittlich 800 Haushalten.

 

Post von den Wiener Linien

Sprichwörtlich ausgezeichnet ist die Idee, Öffi-Remisen und Busgaragen als neue Logistikzentren zu nutzen, um den Lieferverkehr in Wien zu verringern. Für dieses Projekt gab es den „Innovation in Politics Award2020“.Durch den Boom bei Onlinebestellungen sind aktuell rund 120 Millionen Pakete pro Jahr auf Wiens Straßen unterwegs, Tendenz weiter steigend. Schlecht für die CO2-Bilanz der Stadt. Mit dem Forschungsinstitut Fraunhofer Austria testen die Wiener Linien gerade, Pakete mit der Bim klimafreundlich auszuliefern. Die „Öffi-Packerl“ könnten, laut Wiener Linien, bis zu 20 Prozent der Treibhausgase, die durch Pakettransporte entstehen, einsparen. Mit Hilfe eines QR-Codes könnten Fahrgäste die Pakete in eigenen Boxen bei Öffi-Stationen abholen und abgeben. Eine Befragung von 6.000 Menschen im Rahmen der Machbarkeitsstudie ergab: 67Prozent wären bereit, ein Paket in der Bim mitzunehmen. Schon nächstes Jahr soll der Testbetrieb starten.

 

Vielleicht sind die Wiener Linien also bald die zweite Post. Hat man sich erst einmal vergegenwärtigt, wie innovativ Österreichs Verkehrsbetriebe wirklich sind, erscheinen diese Aussichten gar nicht mehr so ungewöhnlich.

No items found.
WERBUNG

Mehr Artikel zum Thema

Zurück zur Natur

Das Vienna Textile Lab nutzt Bakterien, um natürliche Farbstoffe herzustellen – für eine umweltfreundlichere Textilindustrie.

weiter zum Artikel

Alfred Edlinger ist Österreichs produktivster Erfinder

Im Interview verrät er das Geheimnis seiner Produktivität und warum Innovationenen selten in Konzernen entstehen.

weiter zum Artikel

Roboter auf dem Vormarsch: Wie weit ist Österreich in Sachen Robotik?

Sie übernehmen immer mehr Aufgaben in Industrie, Medizin und Haushalt. Doch was steckt hinter dem aktuellen Hype um Roboter?

weiter zum Artikel