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Sie übernehmen immer mehr Aufgaben in Industrie, Medizin und Haushalt. Doch was steckt hinter dem aktuellen Hype um Roboter?
So könnte man die Haltung des Menschen zum Roboter mit Blick auf die Kulturgeschichte beschreiben. Dass sich ein menschenähnliches Wesen gegen seine Schöpfer richtet, zieht sich wie ein roter Faden durch Erzählungen aus allen Epochen – von Goethes „Zauberlehrling“ bis zum „Terminator“. Die Faszination für ein autonomes Gegenüber, das mit Bewusstsein und eigenem Willen ausgestattet scheint, paart sich mit Kontrollverlust-Ängsten wie das Amen im Gebet.
Im Jahr 2025 ist das nicht anders. ChatGPT löste, neben Begeisterung, auch Besorgnis aus. Neueste menschenähnliche Maschinen rücken die alten Mythen wieder ins Bewusstsein. Humanoide Roboter, die gerade vermehrt ihre Kunststücke im Internet präsentieren (siehe QR-Code), schauen ähnlich aus wie der Terminator: stählerne, auf zwei Beinen dahinstapfende Gestalten mit Armen, Greifhänden und einem Kopf auf dem Rumpf. Sie heißen Digit, Atlas, Optimus oder Figure 02 und stammen meist aus den USA oder China. Videos zeigen Atlas von Boston Dynamics beim Herumturnen auf einem Gerüst oder Figure 02, der in einem US-Werk von BMW (testweise) Karosserieteile montiert. Wird die Welt demnächst also mit massig Menschmaschinen bevölkert sein? Gerald Steinbauer-Wagner, Präsident des Robotik-Interessenverbandes GMAR und Leiter des Institute of Software Technology (IST) an der TU Graz, ist skeptisch. Roboter seien noch ein Stück weit davon entfernt, ihre Umwelt eigenständig zu begreifen. Daher nennt Steinbauer-Wagner die Forschung an Humanoiden „Showcases“: spektakulär und wissenschaftlich hochinteressant, weil sie komplexe Problemstellungen aufwerfen – an den Anforderungen realer Umwelten aber oft noch vorbeigehend.
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Jugendförderung: 2023 fand am ABB Bildungscampus die World Robot Olympiad statt.
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Airskins – „Haut“ für Roboter – ermöglicht Mensch-Maschine-Kollaboration ohne Schutzzäune.
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Der Taurob Inspector Robot macht einen Rundgang auf einer Offshore-Ölplattform in Angola.
Das sieht Markus Vincze, Experte für Robotik und Professor an der TU Wien, ähnlich. Beispiel Haushalt: „Menschliche Bewegungsabläufe sind sehr kompliziert. Um sie zu reproduzieren, braucht es an beiden Armen und Beinen jeweils sechs Motoren. Moderne Wohnungen haben aber keine Schwellen. Ein Roboter mit Rädern wäre völlig ausreichend, viel billiger und weniger energieaufwendig“, so Vincze. Dabei ist die Fortbewegung auf engem Raum noch das kleinste Problem in einem typischen Haushalt. Mit seinem Team entwickelt Vincze seit Jahren die Fähigkeiten Sehen und Greifen weiter, mit dem Ziel, die Anpassungsfähigkeit von Robotern zu beschleunigen und ihre Autonomie zu erhöhen. Schon an banal erscheinenden Tasks wie Putzen scheitern die Maschinen heute noch, so der Forscher: „Ein Mensch schaut schräg ins Fenster und erkennt sofort, ob alles sauber geworden ist oder noch Schlieren da sind. Für einen Roboter ist das eine sehr komplizierte Aufgabenstellung.“ Einzeln stehende Objekte zu erkennen, darauf können die Maschinen aber schon trainiert werden. „Wir arbeiten mit Stereokameras, die Farbe und Tiefe sehen, in Verbindung mit Deep-Learning-Technologien, um unsere Roboter auf ganz spezifische Objekte zu trainieren. In einem zweiten Schritt versuchen wir auch, ihnen Klassen von Objekten beizubringen“, so Vincze. Genau das ist gegenwärtig eine der großen Herausforderungen der Robotik, sagt Steinbauer-Wagner: „Kann ich ein Robotersystem mit sehr wenig Anleitung oder sehr wenig Beispielen auf eine neue Umgebung oder eine neue Aufgabe einlernen? Das würde das Potenzial, Roboter einzusetzen, extrem nach oben pushen.“ Steinbauer-Wagner hat die Hoffnung, dass Large Language Models wie ChatGPT dabei helfen könnten, Robotern so etwas wie Common Sense mitzugeben. Denn selbst basales Weltwissen, das wir alle haben, besitzt die Maschine nicht. Zum Beispiel die Tatsache, dass sich ein Ding nicht gleichzeitig an einem und an einem anderen Ort befinden kann.
"Roboter erarbeiten sich immer mehr Nischen, und diese Nischen werden immer größer, und die Aufgaben immer komplexer."
Gerald Steinbauer-Wagner, TU Graz
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Ob es zu selbstständig agierenden Menschmaschinen noch weit ist oder ein Durchbruch unmittelbar bevorsteht – in vielen Bereichen sind Roboter längst Normalität. So etwa in der industriellen Fertigung. Die oberösterreichische B&R mischt in der Fabrikautomation seit Jahrzehnten weltweit vorne mit. 1979 gegründet, hat der Hersteller von Steuerungstechnologien seit seiner Übernahme durch den Schweizer Industrieriesen ABB an Bedeutung für die Robotik in Österreich weiter gewonnen. Kolportierte 1,8 Mrd. Euro war ABB die Übernahme des Hidden Champions wert. Florian Schneeberger, CTO, ABB Automation Division (B&R): „Was wir tun, ist, die Reindustrialisierung Europas zu ermöglichen. Die Automatisierung schmutziger, langweiliger und gefährlicher Arbeiten trägt dazu bei, die Rückkehr der Produktion nach Europa zu erleichtern.“ Seit der Übernahme hat ABB kräftig in die österreichische „Automation Division“ investiert. So wurde 2022 am Stammsitz Eggelsberg ein Bildungscampus eröffnet, wo jährlich bis zu 4.000 Menschen in Automation sowie KI und Software-Lösungen ausgebildet werden sollen. Zusätzlich wurden dort 1.000 hochqualifizierte Jobs geschaffen. Gerald Steinbauer-Wagner rekapituliert die Robotik-Entwicklung der letzten Jahre so: „Roboter erarbeiten sich immer mehr Nischen und diese Nischen werden immer größer und die Aufgaben immer komplexer. Aber Stück für Stück. Als ich Student war, waren wir froh, wenn ein Roboter im Labor einen Gang entlangfahren konnte, ohne mit der Wand zu kollidieren. Mittlerweile sind solche Roboter zumindest in Produktionsabläufen und in Lagerhäusern gang und gäbe, üblicherweise in abgegrenzten Bereichen.“ Diese AMR (Autonome Mobile Roboter) für die Intralogistik werden auch in Österreich entwickelt: Die „Open Shuttle“ der steirischen Firma Knapp, autonome Transportgefährte für Werkshallen, arbeiten im Schwarm und lassen sich schnell an neue Umgebungen anpassen. Der „Pick-it-Easy Robot“ von Knapp befüllt selbstständig Paletten und Kisten mit unterschiedlichsten Waren. Ähnliche Lösungen bieten erfolgreich die oberösterreichischen Unternehmen Agilox und TGW an. Airskin aus Wien hat eine robuste, druckempfindliche „Haut“ entwickelt, die eine Kollaboration zwischen Menschen und Industrierobotern auch dann ermöglicht, wenn die Roboter nicht wie bislang üblich hinter einen Zaun gesperrt sind. Die robusten, druckempfindlichen Pads von Airskin werden einfach auf Standard-Industrieroboter aufgeschraubt. Bei leisester Berührung stoppen die Roboterarme sofort – Verletzungsgefahr gebannt.
Bei all den Innovationen geht es aber nicht darum, Arbeitsplätze einzusparen, betont Steinbauer-Wagner: „Uns fehlt es aufgrund der demografischen Entwicklung immer mehr an People Power. Wenn nur mehr 75 % der Arbeitskräfte zur Verfügung stehen, die 100 % der Arbeit erledigen sollen, dann müssen wir 25 % der Aufgaben Roboter machen lassen, damit wir unser Wohlstandsniveau halten können.“ Das gilt insbesondere für schwere, hochgefährliche Arbeiten. Für das Aufspüren von Lecks in Gasleitungen hat etwa das Wiener Unternehmen Taurob den „Gasfinder“ entwickelt. Der weltweit erste Roboter dieser Art verrichtet seinen Dienst auch in Umgebungen, wo Explosionsgefahr herrscht, oder unter den widrigen Wetterbedingungen einer Hochsee-Ölplattform. Auch die Landwirtschaft leidet an Personalknappheit. Georg Sladek, Geschäftsführer des Agro Innovation Lab der RWA Raiffeisen Ware Austria, sieht Digitalisierung und Automatisierung als eine der Antworten auf das Problem. „Grundsätzlich stehen Landwirte neuen Technologien aufgeschlossen gegenüber“, sagt er. Automatische Melksysteme oder autonom fahrende Traktoren haben längst Einzug in die Bauernhöfe gehalten. Ein nächster Schritt sind Roboter auf den Feldern. Großes Potenzial haben laut Sladek KI-gestützte Systeme, die etwa auf Basis von Bilddaten die Kulturpflanze vom Unkraut unterscheiden können und dann den Auftrag Hacken oder Applizieren von Pflanzenschutzmittel erteilen. Dem unbestrittenen Nutzen von Unkraut-, Säh-, Hack- oder Ernterobotern stehen vorerst oft noch die hohen Kosten gegenüber. Ob künftig Dienstleistungs-, Sharing- oder Mietmodelle für die Nutzung entwickelt werden, wird sich zeigen.
In diesen Tagen ist Markus Vincze dabei, die IEEE International Conference on Robotics and Automation (ICRA) zu organisieren, die 2026 in Wien stattfinden wird. Geht es nach ihm, sollen die über 100 Aussteller aus aller Welt vor allem auch Kindern und Jugendlichen zeigen, dass es da „ein paar coole Dinge“ zu entdecken gibt, herrscht doch in Österreich auch in der Robotikforschung akuter Nachwuchsmangel. Gerald Steinbauer-Wagner wünscht sich auch von der öffentlichen Hand stärkeres Engagement für sein Fach: „Wir brauchen mehr Commitment für Spitzenforschung. Robotik ist eine Querschnittsmaterie von Maschinenbau über Elektrotechnik und Informatik bis hin zu KI. In all diesen Bereichen brauchen wir bessere finanzielle Unterstützung. Denn: Was zieht gute Leute an? Geld und gute Leute – ein selbstverstärkendes System!“