Foto: Rhomberg Bau
February 27, 2025
Die Bauwirtschaft verbraucht weltweit so viele Ressourcen und produziert dabei so viel Abfall wie kein anderer Industriesektor. Dass es auch anders geht, zeigen heimische Beispiele.
E in wenig unscheinbar wirkt das gedrungene Gebäude im Simmeringer Niemandsland zwischen Kläranlage und Alberner Hafen. An den Rankgittern, die an der Fassade des zweigeschoßigen Zweckbaus montiert sind, winden sich zaghaft ein paar kürzlich gesetzte Pflänzchen entlang. Sie sollen einmal eine Grünfassade bilden. Auch wenn auf den ersten Blick wenig darauf schließen lässt, handelt es sich um ein echtes Vorzeigeprojekt. Denn als erstes öffentliches Gebäude der Stadt Wien wurde der Bau der MA 48 für Abfallwirtschaft, Straßenreinigung und Fuhrpark aus Recyclingbeton errichtet. Insgesamt wurden rund 1.500 Kubikmeter Beton verarbeitet; die durchschnittliche Recyclingquote betrug je nach Betongüte 15 bis 20 Prozent. 450 Tonnen Recyclingmaterial kamen damit als Ersatz für den Primärrohstoff zum Einsatz. Bei dessen Anlieferung setzte man zudem auf kurze Wege, um CO2-Emissionen zu reduzieren. Und auch sonst ist der Neubau durch und durch ressourcenschonend: eine Photovoltaikanlage und ökologische Warmwasserversorgung gibt es ebenso wie E-Ladestationen. „Wir wollten zeigen, was machbar ist“, sagt der Wiener Klima-Stadtrat Jürgen Czernohorszky.
Foto: Stefan Seelig
In Wien entstand das erste öffentliche Gebäude aus Recyclingbeton.
Foto: Astrid Knie
Daniela Trauninger, Leitung Nachhaltigkeitsmanagement, Bereich Umwelt und Energie, Strabag: "Wir verstehen Gebäude als Materialbanken."
Foto: Astrid Knie
Karl-Heinz Strauss, CEO Porr: "Wir dürfen nicht so viel recyceltes Material verwenden, wie wir könnten."
Das Gebäude ist ein Leuchtturmprojekt in einer Branche, die kaum weniger nachhaltig sein könnte. Denn weltweit ist sie für die Hälfte des Rohstoffverbrauchs und für 39 Prozent aller CO2-Emissionen verantwortlich – vom Bau über die Instandhaltung eines Gebäudes bis zum Abriss nach rund 50 Jahren Nutzungsdauer. Was bleibt, sind Tonnen von Schutt. Kein Wunder also, dass fast 75 Prozent des Abfallaufkommens auf die Kappe der Bauindustrie gehen. Nachhaltig ist das nicht. Und doch tut sich etwas in der Branche.
Ein Pionier des zirkulären Bauens ist Rhomberg Bau in Vorarlberg – und stand damit lange Zeit allein auf weiter Flur. „Doch in den vergangenen Jahren hat ein Umdenken stattgefunden –
einerseits befeuert durch die öffentliche Diskussion, andererseits auch durch den Druck der neuen EU-Taxonomieverordnung von 2020“, sagt Geschäftsführer Matthias Moosbrugger. Damit wird die Kreislauffähigkeit zu einem Kriterium bei der Bewertung von Immobilienprojekten; die gesamte Wertschöpfungskette vom nachhaltigen und recycelbaren Baustoff bis hin zum späteren Rückbau wird durchleuchtet, Unternehmen und Zulieferer in die Pflicht genommen. Moosbrugger bemerkt jedenfalls eine Sensibilisierung für das Thema: „Investoren und Banken suchen gezielt nach grünen Immobilien. Ein Umdenken ist da, dennoch gibt es noch Luft nach oben.“
Das mag auch an den Kosten liegen, denn nachhaltig zu bauen ist auf den ersten Blick teuer. „Langfristig sollte eine Immobilie aber so entwickelt, geplant und betrieben werden, dass sämtliche Nachhaltigkeitsmaßnahmen
zu einer Wertsicherung führen“, sagt Anna-Vera Deinhammer, Stiftungsprofessorin für nachhaltige Immobilienwirtschaft an der FH Wien der WKW. Und damit rechnet sich der Wechsel vom linearen Wirtschaften hin zur Kreislaufwirtschaft. „Früher war es üblich, Baumaterial wie Ziegel, Holz und Glas zu recyceln. Die Materialien waren so teuer, dass man es sich schlicht nicht leisten konnte, nur neue zu verwenden“, so Deinhammer darüber, dass zirkuläres Wirtschaften kein neues Phänomen ist.
"Investoren und Banken suchen gezielt nach grünen Immobilien.”
Matthias Moosbrugger, Geschäftsführer Rhomberg Bau
© Stefan Seelig
Heute können wir es uns nicht mehr leisten, noch mehr der ohnehin immer knapper werdenden Ressourcen zu verbrauchen. So versucht man bei Rhomberg Bau bereits in der Planungsphase, so viele Parameter wie möglich festzulegen und auch eine Rückbaugarantie für Gebäude einzufordern, denn „nur wenn man das bereits zu Beginn mitdenkt, wird auch tatsächlich entsprechend gebaut“, sagt Moosbrugger.
Ähnlich sieht man das beim Baukonzern Strabag, wo man Gebäude als Materialbanken versteht. „So vermeiden wir beim Rückbau Abfall und führen die Materialien immer wieder dem Nutzungskreislauf zu“, sagt Daniela Trauninger, Leitung Nachhaltigkeitsmanagement, Bereich Umwelt und Energie. Konkret setze man auf innovative Technologien wie etwa modulare Bauweise mit höchstmöglichem Vorfertigungsgrad. In der Produktion führt das zu nachweislich weniger Abfall, die Bauzeiten verringern sich und die sortenreine Trennung beim Rückbau wird einfacher. Grundsätzlich gelte es aber vor allem, die Nutzungsdauer von Gebäuden zu erhöhen, so Trauninger. Dabei helfen flexible Grundrisse, die mehr als nur eine Nutzungsmöglichkeit erlauben, und qualitätsvolle Materialien, die immer wieder aufs Neue weiterverwendet werden können. „Re-Use ist die ideale Form, um Baustoffe im Kreislauf zu halten“, bestätigt Thomas Romm, Geschäftsführer des Baukarussell, das sich auf verwertungsorientierten Rückbau mit sozialem Mehrwert spezialisiert hat.
Doch das ist nicht immer möglich. Zweitbeste Variante ist daher das Recyceln von Baustoffen. Sie sind nicht mehr in ihrer ursprünglichen Form nutzbar, dennoch findet sich auch für sie noch Verwendung. In eigenen Recyclingcentern werden sie wiederaufbereitet. So errichtet die Strabag auf dem sanierten Grundstücks eines ehemaligen Ölhafens in Bremen derzeit das „C3 Circular Construction Center Bremen“ mit Recycling- und Wiederaufbereitungsanlage und einem Technologie- und Forschungszentrum zum Thema Kreislaufwirtschaft. Hier soll auch Urban Mining betrieben werden. Nicht mehr benötigte Gebäude werden dabei als Rohstoffquelle betrachtet. Durch die lokale Verfügbarkeit verkürzen sich zudem auch die Transportwege.
Gleich 17 solche Zentren betreibt die Porr. Im größten in Wien-Himberg werden jährlich 400.000 Tonnen Baumaterialien verarbeitet. Zwei Millionen Tonnen pro Jahr werden auf den eigenen Anlagen und Baustellen verwendet – zum Teil gleich direkt während des Baus. „Wir haben bis Juni 2022 Abbrucharbeiten am Unilever-Gebäude in Wien-Simmering ausgeführt und vor Ort 25.000 Tonnen Beton zerkleinert. Ein Großteil davon wurde für das neue Gebäude wiederverwendet“, sagt CEO Karl-Heinz Strauss. Das reduziert auch den CO2-Ausstoß. Denn für einen Abtransport des Bauschutts wären rund 1.000 Sattelschlepper-Fahrten nötig gewesen.
Tatsächlich könnte der Anteil an wiederverwendeten Materialien aber weit höher sein, als bisher gesetzlich erlaubt. Karl-Heinz Strauss: „Für die Asphaltproduktion könnten wir bereits 100 Prozent Recycling-Material verwenden, dürfen es aber nicht. Denn laut ÖNORM ist der Anteil mit 10 bis 15 Prozent gedeckelt. So lange Recyclingmaterial vom Gesetzgeber als minderwertig behandelt wird, ist es schwer, Kund:innen davon zu überzeugen.“
Ein Lösungsansatz wäre die Abschaffung von Maximalquoten, die regeln, wie viel recyceltes Material eingesetzt werden darf. „Bereits heute liegen die technisch möglichen Recycling-quoten weit darüber und das bei Einhaltung höchster Qualitätskriterien“, sagt Strabag-Nachhaltigkeitsexpertin Daniela Trauninger. Besonders kurios: Abhängig vom Land oder Bundesland darf in einer Region Asphalt mit
75 Prozent Recyclingquote eingesetzt werden, andernorts ist bei maximal 25 Prozent Schluss. Zeit also für eine EU-weite Regelung.
Auch beim Aushub-Material könnte besser recycelt werden,, empfiehlt Thomas Romm: „Das ist ein wertvoller Rohstoff, der nach Ende des Baus direkt wieder verwendet werden kann. Bislang landet er oft auf Aushubdeponien. Lagert man den Boden direkt vor Ort zwischen, ist das wesentlich kostengünstiger und umweltschonender.“
Wo die direkte Weiternutzung, etwa wegen Verunreinigungen, nicht möglich ist, kommen Nassaufbereitungsanlagen zum Einsatz, wie sie Rhomberg Bau in Hohenems betreibt. Pro Jahr werden hier 200.000 Tonnen Bodenaushub gewaschen, getrennt und wiederverwertbar gemacht. Selbst Böden, die aufgrund ihres hohen Schlammanteils bisher auf die Deponie mussten, können hier zu 90 Prozent verarbeitet und weitergenutzt werden. „Die zehn Prozent, die übrig bleiben, sind Schlacken, die man allenfalls für Ziegel oder Zement verwenden kann“, so Matthias Moosbrugger. So bleiben selbst Abfallprodukte im Kreislauf.
Dennoch seien Rückbau und Wiederverwendung nur ein Teil des Kreislaufs, gibt Thomas Romm zu bedenken: „Um in die Kreislaufwirtschaft zu kommen, müssen alle Akteur:innen zusammenwirken. Die Bauwirtschaft, die Hersteller, Planende, Zertifizierende, die Abfallwirtschaft, Ressourcenmanagement und die Politik.“ Dass das gelingt, beweist das Projekt in Wien – ein Anfang ist gemacht.