Greenwashing oder echter Klimaschutz?

© Tchibo

March 16, 2025

Greenwashing oder echter Klimaschutz?

Was ist dran an den Nachhaltigkeitsversprechen der Konzerne? So behalten Konsument:innen den Durchblick.

Nachhaltig einkaufen: Wie erkennt man echtes Recycling und Greenwashing?

K leidung aus recycelter Kunstfaser, Prämien fürs Altkleidersammeln, Eintauschaktionen für Möbel und Co.: Ganz gleich, was man kauft – nachhaltig zu leben ist ein Kinderspiel, so scheint’s. Kaum ein Unternehmen, das mittlerweile nicht vollmundig einen Beitrag zu mehr Nachhaltigkeit verspricht und damit Konsument:innen suggeriert, guten Gewissens bei ihm shoppen zu können. Fest steht: Am nachhaltigsten ist immer noch das Produkt, das nicht gekauft wird. Aber wenn, dann doch bitte bei einem Unternehmen, das nachhaltig agiert. Bloß, wie können sich Konsument:innen sicher sein, dass es dabei um mehr als nur ein sauberes Image geht?

Um besser einschätzen zu können, wie es um die Kreislauffähigkeit eines Produkts bestellt ist, zahlt sich ein kurzer Check der „Abfallhierarchie“ aus. Wird erst gar kein Abfall erzeugt, ist das die Idealvariante – und in vielen Fällen nicht umsetzbar. In der Hierarchie folgen darauf Wiederverwendung und Recycling. Ist das auch nicht möglich, klappt es vielleicht noch mit einer anderweitigen Verwendung, dem sogenannten Downcycling, bevor schlussendlich nur noch das Beseitigen bleibt.  

Matthias Neitsch, Geschäftsführer

Foto: Matthias Neitsch

Matthias Neitsch, Geschäftsführer: Re-Use Austria “Die Kooperation mit Tchibo ist ein spannender Lernprozess.”

Österreichische Umweltzeichen

Labels wie das Österreichische Umweltzeichen oder das EU: Ecolabel helfen beim nachhaltigen Einkauf. Informationen, wie man Greenwa-shing erkennt, bieten der Verein für Konsumenteninformation und die Stiftung für Konsumentenschutz Schweiz

Greenwashing oder nachhaltig?

Um letzteres zu vermeiden setzen mächtige Konzerne wie H&M, Ikea, Tchibo und Co. immer öfter auf Pfandlösungen, allerdings mit Abstrichen. So nimmt Fast-Fashion-Riese H&M zwar bereits seit Jahren in seinen Stores Textilien zurück, doch statt Barem auf die Hand werden auf der Kundenkarte Punkte gesammelt, die später in Rabatte umgewandelt werden. Matthias Neitsch, Geschäftsführer von Re-Use Austria, sieht die Gutscheine durchaus kritisch, denn sie „sollen ja in erster Linie zu weiterem Neukauf anregen“. Und was passiert mit der zurückgenommenen Kleidung?

H&M-Produkte bestehen zu einem überwiegenden Teil aus einem Polyestergemisch. Diese Mischfasern der zurückgebenen Artikel werden zerkleinert und zu Dämmstoffen verarbeitet. „Eine Maßnahme, die in erster Linie der Bewusstseinsbildung dient“, meint Matthias Neitsch. „Diese Art von Downcycling ist quasi Abfallverbrennung mit Umweg. Echtes, hochqualitatives Recycling gibt es für Textilien derzeit nur im Labormaßstab.“ Von breiter industrieller Anwendung oder gar Wirtschaftlichkeit sei man noch weit entfernt. Langfristig sei das aber das Ziel, sagt H&M-Sprecherin Susanne Bazzigotti: „Bis 2030 sollen alle verwendeten Materialien entweder recycelt oder auf andere nachhaltige Weise beschafft werden.“

Neue Verwendung

Ein Teil der Lösung könnte Syre werden. Das Unternehmen wurde von der H&M Group gemeinsam mit der Investmentfirma Vargas Holding in den USA gegründet und nimmt dieses Jahr seinen Betrieb auf. Das Ziel: Garn aus recyceltem Polyester herzustellen. „Meist werden für dieses Recycling keine gesammelten Altkleider oder gesammelten Altkunststoffe verwendet, sondern sehr saubere und in großen Mengen leicht verfügbare Produktionsabfälle wie Verschnitt-Reste oder Fehlchargen“, weiß Neitsch. Das werde aber kaum kommuniziert. „So glauben Konsumenten, da stecken ihre alten Kleider drinnen.“ Zudem suggeriere die Maßnahme, dass Recycling das Problem von Überproduktion und Überkonsum im Fast-Fashion-Segment löse. Was aber nicht stimme. „Weltweit wird nur ein Prozent der Textilien recycelt, die in den Markt gepumpte Textilmenge verdoppelt sich alle 20 Jahre.“ Brigitte Karigl, Kreislaufwirtschaft-Expertin des Umweltbundesamts, kann dem Syre-Projekt auch Positives abgewinnen: „Derartige Vorhaben tragen zur Umsetzung der EU-Textilstrategie für nachhaltige und zirkuläre Textilien bei.“ Binnen zehn Jahren will Syre weltweit zwölf Anlagen in Betrieb nehmen. Das schaffe Kapazitäten für innovatives Faser-zu-Faser-Recycling. „So kann kreislauffähige Kleidung anstelle von kurzlebiger Kleidung zur Norm werden.“

"Konsumenten können die Nachfrage nach zirkulären, nachhaltigen Produkten steigern."

Brigitte Karigl, Umweltbundesamt-Expertin für Kreislaufwirtschaft, © B. Groeger

© B. Groeger

Textilien bleiben im Kreislauf

Textilien sind auch bei Tchibo, neben Kaffee, ein wichtiger Teil des Angebots. Um in puncto Textilkreislauf und Bewusstseinsbildung aktiv zu werden, arbeitete das Unternehmen mit der deutschen Organisation „Fairwertung“ zusammen. Seit 2019 kooperiert Tchibo auch mit Re-Use Austria.

Das gemeinsame Projekt „Zweites Leben“ ist eine Rücknahme alter Kleidung mit besonderem Effekt: Tchibo promotet die von Re-Use Austria aufgebaute Plattform „sachspenden.at“: Hier findet man ausschließlich Kleidercontainer und -abgabestellen, die von sozialwirtschaftlichen und karitativen Organisationen betrieben werden. Aufgrund des hohen Anteils an reiner Baumwolle wurden zunächst Handtücher und Bettwäsche gesammelt. „Hier ist echtes Recyceln erheblich einfacher als bei Mischfasern“, sagt Monika Schneider, Leiterin der Unternehmenskommunikation bei Tchibo.

Das Ergebnis kann sich sehen lassen. Bei einer ersten Sammelaktion für Bettwäsche konnten 36 Prozent der Textilien über Second-Hand-Shops wieder verkauft werden, 58 Prozent wurden im Textilrecycling verwertet. Bei der Folgeaktion für Handtücher blieben 93 Prozent im Kreislauf, davon waren 67 Prozent gut genug, um in Second-Hand-Läden nochmals verkauft und verwendet zu werden. „Das trägt zur Abfallvermeidung und zur Umsetzung der Kreislaufwirtschaft bei, indem Textilien prioritär wiederverwendet werden. Zusätzlich schafft diese Initiative Arbeitsplätze für benachteiligte Personen“, lobt Brigitte Karigl vom Umweltbundesamt. Zudem zeigen derartige Pilotprojekte, dass eine Kooperation von Wirtschaft und sozialwirtschaftlichen Organisationen funktionieren kann. „Diese Kooperation ist für uns ein spannender Lernprozess“, berichtet Re-Use-Austria-Geschäftsführer Neitsch.So lerne die Vereinigung der sozialwirtschaftlich ausgerichteten Re-Use-Betriebe, was man Konsument:innen kommunizieren muss, um tatsächlich gut tragbare Kleidung zurück zu ­bekommen. „Das ist gar nicht so einfach, wie man denkt.“

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Ehrgeizige Ziele

Fast Fashion ist bei IKEA zwar kein Thema, doch der Möbelriese steht regelmäßig aufgrund seiner Produktionspraktiken in der Kritik. Allzu viel Plastik im Sortiment, Rodung von geschützten Wäldern oder auch mangelnde Qualität, quasi Fast Furniture, lauteten die Vorwürfe. Mit einem Circularity-Ansatz will man nun gegensteuern: Im „Zweites Leben Shop“ bietet IKEA Waren an, die nicht mehr regulär verkauft werden können. Von Kund:innen zur Wiederverwendung abgegebene Möbel finden sich hier allerdings kaum. In anderen Ländern arbeitet IKEA mit sozialwirtschaftlichen Organisationen zusammen, in Österreich bislang noch nicht. Für einige Fachleute ist der „Zweites Leben Shop“ ein „Tropfen auf dem heißen Stein“ - für Brigitte Karigl immerhin ein Geschäftsmodell, „bei dem die Lebensdauer von Produkten, die nicht mehr den Normstandards entsprechen, verlängert wird“. Bei IKEA gibt man sich selbstkritisch: „Wir sind uns bewusst, dass wir aktuell noch ein Teil des Problems sind, wenn es um Nachhaltigkeit geht. Bis 2030 sollen 100 Prozent unserer Produkte zirkulär designt sein und aus erneuerbaren oder recycelten Materialien bestehen“, so ein Sprecher des Konzerns über die ehrgeizigen Ziele.  

Ob von Unternehmen gelobte Recycling-Maßnahmen reine „Greenwashing“-Aktionen sind, oder wirklich etwas bringen, ist selbst für Fachleute – zumindest auf den ersten Blick – oft nicht eindeutig erkennbar. Gütesiegel helfen beim möglichst zirkulären Einkauf. Dieses Einkaufsverhalten kann etwas bewegen: „Konsumenten steigern durch entsprechendes Konsumverhalten die Nachfrage nach zirkulären, nachhaltigen Produkten“, sagt Brigitte Karigl. Das könne den Markt so verändern, dass zirkuläre Produkte auch betriebswirtschaftlich wettbewerbsfähig werden – und dann wären Greenwashing-Aktionen für Unternehmen ein Konzept zum Wegschmeißen.  

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