eNordkappChallenge: Wie E-Mobilität am Polarkreis ihre Grenzen testet

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March 18, 2025

eNordkappChallenge: Wie E-Mobilität am Polarkreis ihre Grenzen testet

Eine winterliche Expedition zum nördlichsten Punkt Europas beweist, dass sich E-Mobilität, Kälte und Langstrecke gut vertragen.

Winterreise mit dem E-Auto: Herausforderung oder Alltag?

Temperaturen von bis zu minus 35 Grad sind für E-Motoren heute kein Problem mehr. Auch Ladepunkte finden sich selbst jenseits von Trondheim noch ausreichend. Ist eine Fahrt mit E-Fahrzeugen von Mitteleuropa rund 4.000 km bis ans Nordkap dann überhaupt noch eine „Challenge“? Durchaus – aber nicht wegen des Elektroantriebs, findet Peer Haupt, Veranstalter der eNordkappChallenge (kurz: #eNC, siehe ­Infobox): „Ich wollte weniger die ansprechen, die ohnehin schon von Elektromobilität begeistert sind, sondern Leute, die das Abenteuer fasziniert, die gerne etwas erleben möchten, wie eben Fahren durch Schnee und Eis, über die Lofoten, unter Nordlichtern.“ Dieses Publikum soll sehen, dass Reisen im Winter mit Elektrofahrzeugen genauso gut geht wie mit einem Verbrenner.

Wo liegen dann die Hürden der #eNC? „Die größte Herausforderung ist, den ganzen Tag Auto zu fahren“, meint Haupt. Die Dunkelheit ab dem frühen Nachmittag sorgt dafür, dass der Körper Schlafhormone ausschüttet. Für Nicht-Profifahrer sind die bis zu zehnstündigen Etappen zehrend. Dazu kommen die schwierigen Straßenverhältnisse: Schnee- und Eisfahrbahnen erfordern höchste Konzentra­tion. Trotzdem ist in den vier Austragungen seit 2019 kaum etwas passiert. Das bisher größte Malheur verlief glimpflich, erzählt Haupt: „Ein Tesla X ist in Zeitlupentempo in den Graben gerutscht, die Insassen blieben zum Glück unverletzt.“  

Faszinierendes Naturschauspiel: Polarlichter

Foto: #eNordkappChallenge

Die Natur ist die größte „Challenge“

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Geht gut: Laden im hohen Norden

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Stehaufmännchen im Zweisitzer

Im Jahr 2023 nahm ein ganz besonderes Team die #eNC unter die Räder. Hans Baumann und sein Sohn Adrian aus der Schweiz bestritten 1998 bereits die „TWIKE Challenge 98“. Diese Gruppenfahrt in den dreirädrigen Elektromobilen des deutschen Herstellers TWIKE führte von Bern ans Nordkap und wieder zurück. Insgesamt 10.000 Kilometer bewältigten Vater und Sohn im Zweisitzer innerhalb von zwei Monaten. Zum 25-Jahr-Jubiläum trat das ehemalige Team TW204 als Team302 nun wieder die Fahrt nach Norden an, diesmal mitten im Winter.

„Und dann hatten wir wirklich Pleiten, Pech und Pannen, wie man sie sich nicht wünscht“, erzählt Adrian Baumann. „Die dänische und die schwedische Autobahn waren nach 26 Jahren der Killer für unseren Elektromotor, der eigentlich auf kurze Strecken ausgelegt ist. Leider haben wir einmal vergessen, die Temperatur­überwachung an den Controller zu hängen. So hat ein Tag mit konstanten 80 km/h den E-Motor buchstäblich verbrannt“. In Schweden kurz vor der norwegischen Grenze war somit Schluss mit lustig, denn auch im mitgeführten Ersatzteil-Anhänger ließ sich kein passendes Getriebe finden.  

Wenn der Motor hinterherreist

Doch so schnell geben Pioniere nicht klein bei. Während das TWIKE im ausgeräumten Ersatzteil-Anhänger weiterfuhr, kontaktierte der Veranstalter einen befreundeten E-Auto-Fahrer aus Österreich, der ebenfalls zum Kap wollte. Ob er nicht unterwegs das fehlende Ersatzteil beim Hersteller in Rosenthal mitnehmen könnte? Südlich des Polarkreises holte das neue TWIKE-Getriebe den #eNC-Konvoi schließlich ein. Eingebaut wurde es in einer Hotelgarage auf den Lofoten.  

„Drei, vier Stunden später waren wir wieder flott und hatten zwei wunderschöne Reisetage über die Lofoten, gen Norden zu“, berichten die beiden. Nur leider währte die Freude nicht lange. Ausgerechnet die hochentwickelte norwegische Infrastruktur machte Team302 einen weiteren Strich durch die Rechnung. „Dort oben gibt es keinen einzigen AC-Ladepunkt mehr, nur schnelle DC-Ladesäulen“, seufzt ­Adrian Baumann. „Also musste das TWIKE wieder in den Anhänger. Aber das Schöne daran: Schlussendlich haben wir es doch ans Nordkap geschafft!“

Foto: #eNordkappChallenge

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Schule schwänzen für Solar­gefährte

Geschichten wie diese lassen #eNC-Veranstalter Peer Haupt zufrieden lächeln. Auch ihn selbst packte die Faszination für E-Mobilität schon vor Jahrzehnten, als Kind. 1985 schwänzte er die Schule und stieg in den Zug nach Winterthur, um die „Tour de Sol“ zu sehen: „Da sind so kleine Fahrzeuge mit einem Solarpanel drauf quer durch die Schweiz gefahren, richtige Bastelkisten. Dass Fahrzeuge allein mit Sonnenkraft fahren, konnte ich nicht glauben, das musste ich mir anschauen.“  

Ein gewisser Forschergeist steckt auch in der eNordkappChallenge. Die langen Etappen fördern Erkenntnisse zutage, die im Alltagsbetrieb nicht zu gewinnen wären. Etwa die folgenden: 1. Deutschland ist das Lade-Entwicklungsland in Nordeuropa. 2. Einfache Bezahlmodelle an den Ladestationen sind mit der Zeit weniger statt mehr geworden – eine europaweite Vereinheitlichung wäre hoch an der Zeit. 3. Unter E-Mobilisten herrscht eine unvergleichliche Solidarität. So schaltete einmal jemand für Haupt via App mitten in der Nacht eine E-Ladestation im Baltikum frei (siehe Punkt 2), nachdem er einen Hilferuf über Facebook abgesetzt hatte.

Ein österreichisches Team war übrigens noch nie bei der #eNC dabei. Dreimal hatte sich schon eines angemeldet, dreimal folgte ein Storno. Für nächstes Jahr ist der Veranstalter optimistisch, dass es klappt. Im Februar und März findet die erste Challenge ausschließlich mit ­Elektro-LKWs statt (#eTruck2025), für die sich bereits Interessenten aus Österreich angemeldet haben. „Da wollen wir mit sechs Fahrzeugen über dreieinhalb Tonnen zum Nordkap fahren, und zwar so schnell wie möglich“, sagt Haupt. www.enordkapp-challenge.org

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