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March 16, 2025
In Asien sind sie allgegenwärtig, in Europa dagegen ein rarer Anblick. Doch ihre Beliebtheit wächst. Denn gerade Tuktuks mit E-Antrieb sind eine smarte Lösung, um dem Verkehrskollaps zu entkommen.
Mitleid mit Pferden mag einer der Gründe sein, warum man sich in Wien die Fahrt mit einer Fiakerkutsche zweimal überlegt. Daran dachte auch Christoph Ertelthalner, als er seine Fahrradtaxis von Anfang an mit Elektromotoren ausstattete: „Es könnte potenzielle Passagiere doch abschrecken, wenn sie sehen, wie sehr sich die Chauffeure mit reiner Muskelkraft abrackern. Und wenn der Wunsch besteht, Menschen möglichst ohne Verbrennungsmotor durch die Stadt zu transportieren, dann führt am elektrisch unterstützten Kleinfahrzeug kein Weg mehr vorbei“, sagt der Taxi-Unternehmer, der seit mittlerweile über 20 Jahren eine wendige, schnelle Alternative zum lähmenden Individualverkehr anbietet – die sich immer größerer Beliebtheit erfreut.
Denn auf den Straßen und Radwegen des urbanen Raums wird es enger: In den letzten Jahren sind zahlreiche neue Mobilitätsformen, die meisten davon elektrisch betrieben, in Mode gekommen. E-Bikes, Scooter, Monowheels tummeln sich mittlerweile überall dort, wo man mit dem Auto nicht hindarf. Und doch scheint sich zwischen Kleinwagen und E-Flitzern eine Lücke aufzutun – sie ließe sich mit einem leichten, urbanen Verkehrsmittel mit E-Antrieb füllen, das sich von Staus und Rushhours nicht vom Kurs abbringen lässt. Ein – meist noch benzinbetriebenes – Vorbild dafür findet sich im asiatischen Raum: Fahrradrikschas oder ihre motorisierte Weiterentwicklung, die Tuktuks, sind in Ländern wie Indien, Pakistan oder Thailand allgegenwärtig. Die Vorteile der knatternden Dreiräder sind ihre geringe Größe, die sie auch durch die engsten Gassen im dicht bebauten Gebiet navigieren lässt, und ihr geringer Kraftstoffverbrauch.
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Zwei E-Tuktuks stehen bereits im Einsatz: René Epp, Gemeindepräsident von Disentis, macht eine Probefahrt.
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Italien exportiert mit der Marke Piaggio Autorikschas nach Indien.
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Peter Schlacher setzt auf Tuktuks als Lastentransporter.
Auch Ertelthalner ließ sich von den Fahrradrikschas inspirieren, als er 2001 einen „völligen Stilbruch“ beging und eine Rikscha mit Elektromotor ausrüsten ließ. „Faxi“ taufte er das damals für Wiener Verhältnisse noch völlig ungewohnte Fahrrad-Taxi. Anfangs fuhren er und seine Mitstreiter noch mit Blei-Akkus, die bei einem Gewicht von 30 Kilo zwischen 20 und 25 Kilometer Reichweite ermöglichten. Fahrten zu höher gelegenen Touristenzielen wie dem Kahlenberg waren damals noch schlichtweg untretbar. „2004 sind wir dann auf Lithiumbatterien umgestiegen, seitdem ist auch der Kahlenberg kein Problem mehr“, sagt Ertelthalner. Mit der Reichweite stieg der Kundenzuspruch. Dass die Leute heute mit der E-Rikscha weniger fremdeln, erklärt sich der Unternehmer so: „Man reist viel mehr in entferntere Länder, wo Rikschaservices zum Alltagsbild gehören. Außerdem ist der Umweltschutzgedanke endgültig in der Masse angekommen.“
"Ein privater PKW hat in der Stadt nichts mehr verloren."
Angelika Rauch leitet das Forschungsunternehmen tbw research
© Bernadette Reiter
In Sachen Umweltschutz spricht tatsächlich einiges für die „Tuktuk-Taktik“: Kleine, verbrauchsarme und emissionsfreie Elektrogefährte stehen ganz oben auf der Hitliste der nachhaltigen Verkehrsplanung, wie Angelika Rauch, die Geschäftsführerin des Forschungsunternehmens tbw research, bestätigt. Ihr Erfahrungsschatz geht auf 25 Jahre in den Bereichen Logistik, Mobilität und Verkehr zurück, ihr Unternehmen erstellt Studien und Masterpläne zu dem Thema. Ein aktuelles Forschungsprojekt mit dem Namen „Zero-Flex“ widmet sich der Entwicklung von modularen Mobilitätsstationen – auch flex-e-base genannt –, in denen E-Fahrräder,E-Lastenfahrräder und E-Mopeds angeboten werden. „Ich vertrete da eine sehr klare Meinung: Das Auto gehört raus aus den Städten, dann gibt es genug Platz für urbane elektrische Fahrzeuge. Natürlich brauchen wir weiterhin Feuerwehr, Rettung und Angebote für mobilitätseingeschränkte Personen. Aber ein privater PKW, der unten vor der Tür steht, hat in der Stadt nichts mehr verloren.“
Eingefleischte Autofahrer hören das freilich nicht gern, und das ist der Verkehrsplanerin auch bewusst. Deshalb zieht sich die Frage, wie möglichst viele Bevölkerungsgruppen in die neuen Mobilitätskonzepte eingebunden werden können, als roter Faden durch die Forschungsprojekte von tbw research. „Wir sehen sehr deutlich, dass die Angebote der Mikromobilität vor allem von jungen, urbanen Männern häufig genutzt werden. Ziel ist es daher, auch andere Gruppen anzusprechen und deren Bedürfnisse mitzudenken“, sagt Rauch. Deshalb werden neue Fahrzeuge, die ihre Firma mitentwickelt, unter anderem auch mit Stöckelschuhen und engen Kleidern auf ihre Alltagstauglichkeit getestet. Wichtig sei es laut Rauch zudem, die Perspektive von mobilitätseingeschränkten und älteren Menschen miteinzubeziehen. Sie sind besonders auf die „erste und letzte Meile“ angewiesen, die vom öffentlichen Verkehr nicht abgedeckt werden kann.
Auch für Frachten. Eine weitere Aufgabe, die der öffentliche Verkehr nicht oder nur unzureichend erfüllen kann: Warentransport. Wer sich in der Bim oder im Bus schon einmal mit einem sperrigen IKEA-Einkauf abgemüht hat, kennt die Grenzen des Systems. An diese ist auch der Grazer Peter Schlacher gestoßen: „Wenn man nicht Auto fahren will oder kann und etwas aus dem Baumarkt oder einen größeren Einkauf transportieren will, braucht es Alternativen. Das Elektro-Tuktuk ist da ein perfektes Transportmittel.“ Zunächst kaufte sich Schlacher selbst eines von einem ausländischen Anbieter. „Da bin ich aber dann schnell draufgekommen, dass das ein ziemlicher Ramsch war – nicht zertifiziert und auch von den Herstellerangaben her nicht korrekt spezifiziert.“ Er suchte weiter, fand ein praxistaugliches Modell, das er für Österreich zertifizieren ließ, und vertreibt es nun seit über einem Jahr mit seiner Firma City-Tuk als „Cargo E-Scooter“. Der Vorteil gegenüber dem Lastenrad: Es lässt sich mehr Gewicht zuladen, auch Personen können mitgenommen werden.
Lücken finden und schließen. Die Kunden kaufen das Gefährt allerdings vorwiegend zu Transportzwecken: Schlacher erzählt auch von einem Haustechniker, der mit einem Elektro-Tuktuk über das weitläufige Firmengelände düst. „Im Privatbereich ist es für viele ein Ersatz für das Auto. Auch weil das Parken damit so viel leichter und günstiger ist. In Graz zahlt man für einen Tag Parken schnell einmal 15 Euro. Mit dem Tuktuk finde ich immer eine Lücke“, so Schlacher. Er schätzt, dass urbane E-Leichtfahrzeuge bis zu 80 Prozent aller Autofahrten überflüssig machen könnten. Nur im Winter, ohne den Komfort einer Heizung, seien sie noch im Nachteil. Dennoch bestehe für ihn kein Zweifel, dass dem E-Tuktuk die Zukunft gehört: „Jetzt liegt es an der Politik, die nötigen Rahmenbedingungen und die Infrastruktur zu schaffen.“