Härtetest im Fuhrpark

© Shutterstock/Anne Chiranya

April 11, 2025

Härtetest im Fuhrpark

Wartungskosten für E-Autos sollen geringer sein als jene für Verbrenner. Was ist wirklich dran?

Wie robust sind Elektroautos wirklich, wie unterscheidet sich ihr Wartungsaufwand zum Verbrenner? Die Anekdoten dazu reichen von himmelhoch jauchzend bis hin zur totalen Katastrophe – die eine fährt wartungsfrei in die sechsstelligen Kilometer, der andere konnte kaum unbeschadet aus dem Autohaus rollen. Momentaufnahmen über Extreme lassen sich prächtig am Stammtisch diskutieren, für eine fundierte Antwort muss man aber die Masse anschauen. Wie wäre es etwa mit rund 5000 Elektrofahrzeugen und einem Einsatzzeitraum von über 12 Jahren?

Diesen Überblick kann Paul Janacek vermitteln: Er ist seit 2019 Leiter des Konzern-Fuhrparks der Österreichischen Post. Als ausgebildeter Controller ist er nicht nur mit der technischen Seite, sondern auch mit der finanziellen bestens vertraut und kann konkrete Zahlen nennen. Eine solche: bis zu 20 Prozent Einsparung im Jahr. So viel billiger kommen der Post die Elektrofahrzeuge im Betrieb verglichen mit den Verbrennern, und da sind die höheren Anschaffungskosten der Stromer schon eingepreist. „Bei einem Fuhrpark, der insgesamt 8500 mehrspurige Fahrzeuge umfasst, zählt jeder Euro, der monatlich eingespart werden kann. Elektroautos sind verschleißärmer und verursachen weniger Wartungsaufwand als Verbrenner. Da braucht es keine Debatte, ob es noch Alternativen brauche, die Alternative ist bereits hier“, sagt Janacek.

Praxisnaher Härtetest

40 Prozent des mehrspurigen Post-Fuhrparks waren mit Ende 2023 bereits elektrifiziert, mit Ende 2024 sollen es bereits 50 Prozent sein. „Wir konzentrieren uns zunächst auf die Elektrifizierung der letzten Meile, also geht es um alle Zustellfahrzeuge. Herzstück sind dabei unsere Transporter, das erste Elektromodell haben wir 2012 getestet“, sagt Janacek. Wahrlich ein Härtetest, auch in der Praxis: Das Beispiel der Post ist insofern besonders aussagekräftig, weil die Fahrzeuge das ganze Jahr durchgehend in Betrieb sind, fünf Tage  die Woche, bei jedem Wetter. Durchschnittlich 200 Starts und Stopps pro Tag, Strecken zwischen 20 und 140 Kilometern, je nach Zustellgebiet – das zwischen Stadtzentrum und Bauernhof im Gebirge variiert. „Dem Verbrenner hat dieses Programm extrem zugesetzt. Nach sechs bis acht Jahren haben Getriebe und Antrieb nicht mehr mitgemacht. Beim E-Motor mit seinen maximal 200 Teilen geht hingegen de facto nichts kaputt, die Antriebsstränge fallen nicht aus. Über die Jahre gesehen war das eine extrem positive Überraschung“, so Janacek. Bislang kann er beobachten, dass die E-Autos zehn Jahre und mehr auf den Buckel bekommen, mit Potenzial auf mehr.

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Denn auch die Batterien, nächste Überraschung, haben einen viel stärkeren Lebenswillen als zunächst angenommen. „Bis heute ranken sich die Mythen, dass eine Batterie nach vier bis fünf Jahren zum Wegschmeißen ist, ein Handyakku halte ja auch nicht länger. Mit diesen Geschichten können wir aufräumen“, sagt der Fuhrpark-Chef. Laut Erfahrungen der Post können Batterien von acht bis hin zu zwanzig Jahren halten, ein intelligentes Ladeverhalten vorausgesetzt. Ein Verfall an Speicherleistung von 25 bis 35 Prozent sei über die Jahre zu verzeichnen – und zu managen. Fahrzeuge mit schwächeren Akkus werden auf Zustellgebiete mit geringerer Kilometerleistung umgeleitet. Und die Post arbeitet auch schon an einem Second-Life-Konzept für ausrangierte Akkus als Stromspeicher an den Zustellbasen, wo eigener Photovoltaik-Strom produziert wird.

„Elektro­autos sind verschleißärmer und verursachen weniger Wartungsaufwand als Verbrenner.“

Paul Janacekv

© Post AG

Haushoher Sieger im Vergleich

Ansonsten müssen sich die Post-Werkstätten vor allem um Kosmetisches bei den Zustellfahrzeugen kümmern: Sitze, Innenraumverkleidung und Verkehrsschäden sind die typischen Reparatureinsätze an den Stromern. Ersatzteile, wie die der Verbrenner braucht, sind beim E-Auto kaum Thema. „Dadurch fällt auch der hohe Transportaufwand für Ersatzteile weg, was die Inbetriebhaltung schon wieder viel günstiger und effizienter macht. Das ist ein großer Hebel, vor allem da es hier um Lieferketten geht, die einen wesentlichen Einfluss auf die Bilanz des Fuhrparks haben“, sagt Janacek. Ein Verbrenner im hohen Lebensalter komme auf sechs bis acht Werkstättenaufenthalte im Jahr, ein gleichaltriger Stromer dagegen zwei bis drei. Allein bei Service und Instandhaltung verzeichnet Janaceks Buchhaltung Einsparungen von gut 50 Prozent. „Da sieht man eindeutig, wie überlegen die Technologie gegenüber dem Verbrenner ist.“

Anderes Bild im Carsharing

Geht man weg von beruflich genutzten Fahrzeugen hin zum Carsharing zeigt sich ein differenzierteres Bild. Katharina Mayer, die Leiterin des Grazer Carsharing-Angebots Tim, das sowohl Elektro als auch Verbrenner in der Flotte hat, beschreibt den Wartungsaufwand beider Technologien als „nahezu ident“. Aber: „Bei den Verbrennern kommen zusätzlich zu den üblichen Verschleißteilen wie Bremsen, Bremsflüssigkeiten, Pollenfilter, Reifen noch Öl, Ölfilter, Luftfilter, Zündkerzen und Getriebeöl hinzu. All das entfällt bekannterweise bei den E-Autos.“ Aber auch die kommen mit gewissen Eigenheiten in die Werkstatt: So verzeichnet man bei Tim einen höheren Reifenverschleiß durch den drehmomentstarken Antrieb und das höhere Gewicht durch die Batterien. Oft auszutauschen seien auch die Stellantriebe der Tankdeckel, weil diese beim Laden immer geöffnet sind und so der Witterung ausgesetzt werden.

Sukzessive Verbesserung

Auch das Fahrzeugalter macht sich laut Mayer bemerkbar: „Ein Teil unserer eGolfs hat nur noch eine Reichweite von rund 70 km. Diese Fahrzeuge mussten daher aus dem offiziellen Fuhrpark ausscheiden und sind seitdem nur noch für interne Servicefahrten im Grazer Stadtgebiet im Einsatz. An den neueren Modellen zeigt sich aber, dass sich die E-Mobilität über die Jahre sukzessive verbessert hat.“ Trotzdem würden sich die Nutzer von der Reichweitenthematik noch immer verunsichern lassen. Ohne Not: „Die Sorge ist in den meisten Fällen unbegründet, da die durchschnittliche Mietdauer 4,2 Stunden und die durchschnittlich zurückgelegte Fahrtstrecke 70 Kilometer beträgt.“

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