© Stefan Diesner
April 11, 2025
Strom statt Diesel bei den Öffis : Wie lang dauert es noch bis wir die Mobilitätswende geschafft haben?
„Da scheint ein Bus nicht in der Ladeliste auf. Der ist draußen mit nur 75 Prozent unterwegs. Was tun wir?“ Markus Krakowitzer blickt gelassen zu seinem Kollegen. Den „Ausreißer“ wird er schon wieder einfangen. Schließlich läuft ja sonst alles wie am Schnürchen. 50 modernste Elektrobusse fahren in „seiner“ Garage täglich ein- und aus – und bedienen mittlerweile neun städtische Buslinien.
Seit rund einem Jahr leitet Krakowitzer das neue E-Kompetenzzentrum der Wiener Linien. Auf dem Areal in Wien-Liesing wird die E-Busflotte des Unternehmens nicht nur gewartet und geladen, hier finden auch alle Schulungen für die Fahrerinnen und Fahrer statt. Der Wiener sorgt gemeinsam mit seinem Team für den reibungslosen Linienbetrieb. Mit seinen 26 Dienstjahren bringt ihn da so schnell nichts mehr aus der Ruhe. Auch das vermeintlich abtrünnige Fahrzeug ist schnell wieder auf Kurs.
Zu verdanken ist das auch einer ausgeklügelten Logistik, die der 41-Jährige mitentwickelt hat. Sie garantiert, dass die Stromflotte die Fahrgäste ohne Unterbrechungen an ihr Ziel bringt.
Busse, die täglich weniger als 130 Kilometer fahren, die so genannten „Depotlader“, werden abends in der Garage wieder aufgeladen bzw. einmal tagsüber zwischengeladen. In dieser Zeit übernimmt dann ein geladenes Reserveexemplar den Betrieb, um die Intervalle einhalten zu können. „Deshalb braucht man auf diesen Linien auch mehr Fahrzeuge als bei den Verbrennern“, erklärt Krakowitzer.
Dem gegenüber stehen die „Gelegenheitslader“, also Busse, die längere Strecken zurücklegen.
Weil sie bis Betriebsschluss durchhalten müssen, werden sie an Schnellladestationen bei den Endhaltestellen nach jeder Runde kurz zwischengeladen.
Nach diesem bewährten System wollen die Wiener Linien bald weitere Linien umstellen, wofür in den nächsten Monaten noch einmal zehn E-Busse in Liesing einziehen sollen.
Nicht nur in der Bundeshauptstadt geht bei den Öffi-Bussen in Sachen E-Mobilität was weiter. Auch andere heimische Verkehrsbetriebe rüsten ihre Fuhrparks gerade im großen Stil um.
Der Vorarlberger Verkehrsverbund verfügt mit 108 Bussen schon jetzt über die größte E-Flotte Österreichs. Das Tiroler Unternehmen Ledrmair orderte kürzlich 27 Elektrobusse, die ab Herbst im Auftrag des Tiroler Verkehrsverbundes im Großraum Innsbruck verkehren. Weitere 15 E-Busse lösen die bestehenden Dieselfahrzeuge in Kitzbühel und Seefeld ab. Warum haben es die heimischen Verkehrsbetriebe plötzlich so eilig mit der Energiewende?
Neben dem beachtlichen Technologiesprung der letzten Jahre hat das vor allem mit einer EU-Richtlinie zu tun, die verbindliche Quoten für „saubere“ Fahrzeuge im öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) festlegt (Näheres siehe Kasten). Mit Jahresende läuft die erste von drei gesetzlichen Fristen ab: „45 Prozent aller neu zugelassenen Linienbusse müssen dann mit alternativen Kraftstoffen fahren“, erklärt Christian Gratzer vom Verkehrsclub Österreich. Neben Strom, Wasserstoff- und Hybridlösungen gehören dazu auch Erdgas und Biokraftstoffe wie etwa Altspeiseöl. „Die Hälfte davon muss aber jedenfalls emissionsfrei, also mit Wasserstoff oder Strom, betrieben sein“, erklärt Gratzer.
Die Wiener Linien erreichen dieses Ziel, indem sie bis Ende 2025 ein Fünftel ihrer gesamten Busflotte auf E- und Wasserstoffantrieb umstellen. Dafür werden knapp 90 Millionen Euro investiert.
E-Busse im Personenverkehr sind für das Unternehmen kein Neuland. Bereits seit 2012 fahren auf den Innenstadtlinien 2A und 3A so genannte „Midi-Busse“ mit Strom, die am Schottenring „aufgetankt“ werden. Noch, denn im Sommer werden sie von Batterie-Wasserstoff-Hybridfahrzeugen abgelöst. „Weil ihre Wasserstoff-Brennstoffzelle während der Fahrt neuen Strom erzeugt, halten die Busse den ganzen Tag durch“, erklärt Krakowitzer. So könne man den Fuhrpark verkleinern und erspare sich auch die lokale Ladeinfrastruktur.
Mit reinen Wasserstoffbussen hat man im Linienverkehr hingegen noch wenig Erfahrung. Demnächst sollen aber zehn H2-Busse die Dieselflotte ergänzen. „Das hat vor allem mit der Topografie der Stadt zu tun“, sagt Krakowitzer. Viele Linien, wie etwa der 39A rauf nach Sievering, müssen steiles Gelände überwinden. Dafür sind elektrisch angetriebene Busse nicht immer geeignet.
„Wir testen in unserer Versuchsgruppe laufend unterschiedliche Antriebsformen auf den Verbindungen, um im Endausbau für jede Linie die optimale Lösung zu haben“, so Krakowitzer.
Neben den regelmäßigen Testfahrten soll auch der neue Hub in Liesing wertvolle Erkenntnisse für die Mobilitätswende bringen. Ihm sollen in den nächsten Jahren weitere Standorte folgen, um bis 2035 sukzessive alle Linien auf alternative Energieträger umstellen zu können.
Bleibt noch die Frage offen: Sind denn die neuen Busse wirklich „emissionsfrei“?
Zumindest was die Strombezugsquelle betrifft, kann man das bejahen. „Wir speisen unsere Busse ausschließlich mit Ökostrom“, betont Krakowitzer. Auch bautechnisch möchten die Wiener Linien möglichst klimafreundlich in die Zukunft gehen: Das Dach des neuen Kompetenzzentrums ist mit einer PV-Anlage überzogen, die das Gebäude mit grünem Strom versorgt.
Neun Buslinien (71A und B; 61A und B, 64A und B, 73B, 17A, 70A, 57A) sind bereits auf Elektrobetrieb umgestellt. Im Herbst folgen der 57A und die erste Wasserstoff-Linie (39A).
Die Innenstadtlinien 2A und 3A fahren bereits seit 13 Jahren elektrisch. Ab dem Sommer werden die Busse gegen E-Wasserstoff-Hybridfahrzeuge ausgetauscht.
In rund zehn Betriebsjahren legen die Fahrzeuge durchschnittlich 500.000 Kilometer zurück. Die Akkus werden ein Mal getauscht.
„45 Prozent aller neu zugelassenen Linienbusse müssen bis Ende 2025 mit alternativen Kraftstoffen fahren.“
Christian Gratzer, Mobilitätsexperte vom Verkehrsclub Österreich
Foto: VCÖ/Rita Newman
Die EU-„Clean Vehicles Directive“ ging 2021 mit dem Straßenfahrzeug-Beschaffungsgesetz in österreichisches Recht über. Bis Ende 2030 müssen 65 Prozent aller neu angeschafften Busse im öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) entweder mit Strom, Wasserstoff, Biokraftstoffen, Erdgas oder Biomethan fahren – die Hälfte davon vollständig emissionsfrei, also mit Strom oder Wasserstoff. Ab 2035 dürfen nur mehr emissionsfreie Busse zugelassen werden.
Die Doppeldeckerbusse des Sightseeing-Anbieters „BigBus“ gehören mittlerweile in 27 Metropolen weltweit zum Stadtbild. Jährlich transportiert das britische Unternehmen rund sechs Millionen Touristinnen und Touristen – und legt dabei hunderttausende Kilometer zurück. Künftig soll das emissionsfrei passieren: In Wien sind bereits seit dem Vorjahr einige der insgesamt 20 Busse elektrisch unterwegs. Bis 2026 will man die gesamte Flotte umstellen. Beim Mitbewerber „Vienna Sightseeing Tours“ soll das bereits Ende des Jahres der Fall sein.